Mittwoch, 12. April 2006
Dreigliedrigkeit
Immer stärker wird die Dreigliedrigkeit des deutschen Schulsystems (die eigentlich ja eine Vier- bzw. Fünfgliedrigkeit ist, wenn Sonder- und Privatschulbereich mitgerechnet werden) in Frage gestellt, in letzter Zeit immer häufiger auch von seiten der Wirtschaft. Lesen Sie hier weiter

... link (0 Kommentare)   ... comment


Strukturfrage
Ungeachtet dessen, dass es auch im Dschungel des bestehenden Schulsystems Pflänzchen gibt, die ganz munter darauf los blühen (Beispiele gibt es dafür u.a. in dem Film “Treibhäuser der Zukunft” von R. Kahl), muss und wird die Frage nach der Struktur des deutschen Schulsystems immer wieder gestellt werden. Nicht in erster Linie, weil die PISA-Sieger integrative Systeme haben, sondern weil unser drei- bzw. viergliedriges Schulsystem der Forderung nach gleichem Recht auf Bildung nicht entsprechen kann (und nie entsprechen konnte).
Die Befürworter der Mehrgliedrigkeit weisen immer gern darauf hin, dass Hauptschüler beispielsweise sich unter ihresgleichen am wohlsten fühlen und dass es ja auch Hauptschulen gibt, die gute Arbeit leisten. Dem halte ich entgegen, dass für Haupt- und Realschüler (für Sonderschüler sowieso) immer ein beschämendes Versagenserlebnis am Anfang der Sek. I - Karriere steht: Ich bin nicht gut genug (für die nächsthöhere Schulform). Was unter dem Aspekt der Lernmotivation keine besonders gute Ausgangslage ist.
Dazu kommt der Aspekt der sozialen Auslese. Wessen Kinder werden zur Hauptschule geschickt? Wer schickt sein Kind noch zur Hauptschule? Nicht einmal die HauptschullehrerInnen selbst! Es fehlt in der Hauptschule die Durchmischung in Bezug auf die soziale Herkunft. Dadurch fehlen in der Schülerschaft die motivierten, optimistischen und häufig auch gut erzogenen Kinder der “bildungsnahen Schichten”, und in der Elternschaft fehlen die gebildeten, selbstbewussten Eltern, die sich effektiv für die Interessen ihrer Kinder einsetzen und sich von Lehrern, Schulleiter und Bildungsbürokratie kein X für ein U vormachen lassen. Ganz besonders schwer wiegt aber meiner Erfahrung nach, dass es in der Hauptschule bei vielen Schülern diesen Entwertungsprozess gibt: Ich kann nichts, ich tauge nicht für das Mittel- oder gar das Oberdeck des Bildungsdampfers, ergo sind mir (die hochhängenden Trauben sind ohnehin sauer) Mittel- und Oberdeck egal, und die Passagiere dort sowieso doof (und der Weg dorthin zu anstrengend).
Relevant ist dann nur noch die Clique oder “peer group”, wie die Soziologen das nennen. Und dann geht es in erster Linie um Frisur, Klamotten, Handy etc., Schule ist eigentlich nur noch interessant als der Ort, an dem man die Anderen trifft. Und daran zerbrechen viele gutmeinende Lehrer, die sich - in dieser Situation allein gelassen - in Zynismus und Sarkasmus retten. Oder sie greifen zur “Trainingsraum-Methode”, aber das ist noch einmal ein ganz anderes Thema.
Marianne Demmer hat 2004 eine Untersuchung durchgeführt, die den schönen Titel trägt: “Zum Umgang mit der Schulstrukturfrage im Zusammenhang der Erneuerung des Schulwesens in Deutschland”. Das Ergebnis finden sie hier: Strukturfrage.pdf

... link (0 Kommentare)   ... comment